Brauchtum des gemeinschaftlichen Backens 

Auszug aus der Chronik 1000 Jahre Amönau  "Dorfleben"

Das Backhaus, meistens zentral in einem Dorfviertel gelegen,
war zu der Zeit als es noch keine Elektrogeräte gab, ein beliebter Treffpunkt. Samstags wurden alle Sonntagskuchen dort gebacken. Nun gab es auch Haushalte, die einen geeigneten Holzherd hatten, in dem man kleinere Kuchen backen konnte. Doch die großen Bleche mit den Hefekuchen mussten im Backhaus gebacken werden.

Die Auswahl an Kuchen war nicht groß. Allem voran gab es den
jede Woche gebackenen Krümelkuchen (Streuselkuchen), die Hefeplätze, die man mit Butter und Marmelade bestrich, Stachel -oder-
Johannisbeerkuchen, zu besonderen Anlässen Wickelkuchen mit Rosinen, im Herbst Apfelkuchen und die heute noch beliebten Quwetsche

kiche  (Pflaumenkuchen) . (Auch die Weihnachtsplätzchen

wurden im Backhaus gebacken).Während die Kuchen im Ofen waren, konnten die Frauen ein ausgiebiges Schwätzchen über Neuigkeiten aus dem Dorf halten und gingen bestens informiert mit ihren fertigen Kuchen

nach Hause. Im Herbst, zur Obsternte, nutzte man die Restwärme des

Ofens zum Trocknen (Dörren) von Zwetschen, Apfel- und
Birnenscheiben.

Das Brotbacken  

Zitat:„Nächste Woche müssen wir Brot backen“ sagte unsere Oma
zu meiner Mutter. „Wir haben nur noch zwei Laibe.“ Nun konnte man sich schon mal ein Brot in der Nachbarschaft ausleihen wenn dringende Arbeiten vorrangig waren, doch nichts führte am Backen vorbei. Zwei Tage vor dem Termin traf man sich zum so genannten „Backespielen“, bei dem man die Reihenfolge der Brotbäcker ausloste. Das war ein Anlass, zu
dem wir Kinder gerne hingeschickt wurden. Ganz stolz kamen wir nach Hause, wenn wir eine günstige Position gezogen hatten. Am schlechtesten war der erste Platz. Als erster Brotbäcker musste man nämlich wegen der Herstellung des Teiges ganz früh aufstehen und brauchte auch mehr Holz um den kalten Ofen einzuheizen.

Am Abend zuvor wurde der Vorteig angesetzt. Dazu wurden Mehl, Wasser und der eingeweichte Sauerteig verrührt.
Abgedeckt in einer kleinen Wanne stand er über Nacht in Ofennähe. Ganz interessiert schauten wir Kinder unserer Oma zu, wenn sie zum Schluss noch etwas Mehl darüber stäubte und einen Querstrich mit drei senkrechten Strichen über den Teig zog. Auf unsere Fragen nach dem Sinn antwortete sie nur:
„Dann gelingt das Brot.“ So recht wollten wir das nicht glau-
ben, malten manchmal heimlich noch viele Kringel dazu und waren auf die Wirkung gespannt. Doch am anderen Morgen waren, dank unserer Oma, die Kreuze wieder da und der Teig wunderbar aufgegangen. Dann wurde der eigentliche Brotteig mit Roggenmehl, Wasser, Salz und dem Vorteig hergestellt. Dabei war darauf zu achten, dass die Teigmasse nicht zu steif und nicht zu schlaff wurde. Nun musste der Teig im hölzernen
„Backetrog“ in der warmen Küche ruhen und aufgehen. Danach wurde er solange kräftig durchgeknetet bis er „knackte“ und ging bis zum Formen der Laibe noch mal kräftig auf. Inzwischen wurde mit Reisig und dicken Holzscheiten der Backofen angeheizt. Wichtig war dabei die Menge des Holzes. Heizte man zu stark, wurde das Brot zu dunkel, heizte man zu
wenig, blieb das Brot blass und war nicht richtig durch gebacken. 

Die richtige Temperatur hatte der Ofen wenn denn die Schamottsteine an der Ofendecke den schwarzen Ruß verloren hatten und weiß waren.

Während das Holz verbrannte „brach man den Teig aus“, das heißt, man formte Laibe und legte sie auf die mit Mehl bestäubten Backbretter. Dann wurde es Zeit, die Bretter mit den Laiben ins Backhaus zu tragen. Die Frauen trugen diese auf dem Kopf. Dazu gab es für die Frauen mit Tracht ein buntes, verziertes, rundes Kissen das in der Mitte eine Aus-
sparung für den „Schnatz“ hatte. Aus dem Backofen wurde mit
einem „Wisch“ die verbliebene Holzkohle ausgefegt. (Ein
„Wisch“ ist ein an einer langen Stange befestigtes Brett, das mit
Stroh umwickelt ist und bei diesem Vorgang immer wieder in
einen mit Wasser gefüllten Eimer getaucht wird). Danach
konnte man das Brot „einschießen“. Die Brote auf den
„Hähler“ zu legen und diese im Ofen richtig zu platzieren er-
forderte viel Übung und Geschicklichkeit. Nun musste man
warten. Nach ca. einer Stunde machte man schon mal die
Klopfprobe. Dazu holte man einen Laib aus dem Ofen und
klopfte mit den Fingerspitzen auf die Unterseite des Brotes. An
dem entstehenden Ton erkannte man ob das Brot durch-
gebacken war oder noch etwas brauchte. War das Brot fertig, holte man es aus dem Ofen, bepinselte esmit kaltem Wasser und schob es noch mal für 5 Minuten in den Ofen. Dunkelbraun und glänzend kam es heraus, ein Brot ohne Zusatzstoffe und Hilfsmittel, das einen köstlichen unvergleich-

baren Duft verbreitete. Ausgekühlt wurde es in einer dafür bestimmten Holzlade aufbewahrt, die nie ganz geschlossen sein durfte. Von einem zurückbehaltenen Teigrest wurde derSauerteig für das nächste Brot hergestellt. Dazu wurde der Teig getrocknet, mit etwas Mehl fein krümelig „gerebbelt“ und in einem Leinensäckchen luftig und trocken bis zum nächsten Brotbacken aufbewahrt.

Der Rührkuchen

Normalerweise wurden zum Sonntag die traditionellen Hefe-
kuchen gebacken, aber die eine oder andere Hausfrau buk im
Backhaus schon mal den „neumodischen“ Rührkuchen. Den
wollte Oma Elisabeth nun auch mal backen. Sie rührte den Teig
an und füllte ihn in die gusseiserne Napfkuchenform. Im
Backofen wurde er an eine günstige Stelle geschoben von der
aus man ihn durch das kleine „Gucktürchen“ im Auge behalten
konnte. Gespannt beobachteten die Frauen wie der Teig immer
höher stieg und fast über die Form lief. „Lisbeth, was hast du
denn da alles rein getan?“ fragten die Frauen ganz beeindruckt.
Plötzlich sackte der Kuchen total in sich zusammen und blieb
unten in der Form sitzen. Ob die Rezeptur nicht gestimmt hat
oder die Temperatur des Ofens ungünstig war, ließ sich nicht
mehr klären. Unter großem Gelächter der Nachbarsfrauen trug
Oma Elisabeth ihren verunglückten Kuchen nach Hause und
war sich ganz sicher: Nie mehr Rührkuchen, von nun an nur
noch der altbewährte Hefekuchen!

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